[Aktualisiert am 22. Juni 2022.]
Sommer, Sonne, Kokosnuss – mit dem Laptop in der Hängematte, das türkisfarbene Meer im Blick.
Und gleichzeitig das Konto füttern.
Willkommen im Leben des ortsunabhängig arbeitenden Digitalen Nomaden.
Schön, oder? Ist es auch.
Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Ich würde trotzdem gern vorschlagen, dieses traumhafte Bild um ein paar realitätsgetreue Informationen zu erweitern.
Der Strand-Traum mit Hindernissen
Zuallererst die Hängematte …
Ohne sportlichen Ehrgeiz ist es so gut wie unmöglich, in einer Hängematte zu arbeiten. Das Ding ahmt bei der kleinsten Bewegung Kontinentalverschiebungen nach.
Ich habe zwar schon ein paar Leute mit einem Gleichgewichtssinn aus Stahl gesehen, die das nicht stört. Ich hingegen konnte nie fokussiert in einer Hängematte arbeiten.
Dann der Strand …
Am Strand zu arbeiten, kann zuweilen auch sehr herausfordernd sein. Da wäre der Sand, der bei der ersten kleinen Windböe deinen Laptop bestäubt und dein Display zum Kratzbaum für die winzigen Körner umfunktioniert.
Erschwerend kommt (zumindest für die hellen Hauttypen) der Faktor Sonnencreme hinzu. Die verteilt sich in der Regel nach spätestens fünf Minuten Arbeit auf der gesamten Tastatur. Egal, wie lange sie vorher auf der Haut eingezogen ist — komischerweise. Meine Tastatur sah oft so ölig aus, als wollte ich gleich ein Steak auf ihr anbraten.
Ganz zu schweigen von der Sonne an sich. Die ist an vielen Traumdestinationen oft so hell, dass man kaum etwas auf dem Bildschirm erkennen kann.
Du siehst, es fängt schon bei den wirklich kleinen Dingen an.
Um das pittoreske Klischee-Bild des Digitalen Nomaden nachzuahmen, benötigt man also schon ein gewisses Schatten-, Sitz-, und Ortsmanagement.
Zu guter Letzt muss sich auch erst einmal ein Strand finden lassen, an dem man wirklich Ruhe hat. Keine Verkäufer einem ständig etwas andrehen möchten. Und keine Touristen mit Bose-Box im Anschlag lautstarke Völkerwanderungen unternehmen …
Die schöne, aber manchmal auch unbequeme Realität
Ortsunabhängiges Arbeiten – ob nun am Strand oder nicht – bedeutet für viele
kein eintöniger Alltag,
Freiheit,
die schönsten Orte der Welt
und Glück ohne Ende.
In aller Linie bedeutet ortsunabhängiges Arbeiten erst einmal:
ein Maximum an Eigenverantwortung und Selbstorganisation.
Gern auch mal vor dem Hintergrund der Zeitverschiebung. Auf Fidschi und in Neuseeland habe ich nicht selten nachts um zwei Uhr Gespräche mit Kunden aus Deutschland geführt.
Gleichzeitig ist es unumgänglich, dass man Strategien entwickelt, um auch wirklich zu arbeiten und sich nicht von dem Urlaubs-Vibe anstecken zu lassen. Der schwirrt so gut wie immer um einen herum. Ich habe viele Touristen mit dem großen Talent getroffen, mir ein schlechtes Gewissen zu machen:
»Jetzt komm doch mit. Morgen kannst du immer noch arbeiten und diese fabelhafte Tagestour wird es wert sein!«, hieß es viel zu oft.
Die Verlockung, heute mal nicht zu arbeiten, ist wirklich überall.
Und ja, irgendwie tut es auch kurz etwas weh, wenn man den anderen bei ihrem Aufbruch zum Abenteuer nur hinterherwinkt. Und stattdessen nur eine Excel-Tabelle auf einen wartet.
Bekommt man diesen Spagat jedoch geregelt, ist die Freizeit umso schöner.
Nichts entspannt mehr, als sich nach einem langen Arbeitstag (oder auch gerne mal in der Pause) schnell aufs Surfbrett zu stellen, tauchen zu gehen oder die schöne Gegend mit einem kleinen Spaziergang zu erkunden.
Das ist dann wirklich dieses sagenumwobene Freiheitsgefühl, das einen mit Lebendigkeit flutet.
Das macht das Leben des Digitalen Nomaden wirklich so besonders.
Anderes Arbeiten und anderes Sozialleben – alles ortsunabhängig?
Nur weil man nicht zwangsweise nach klassischen „9 to 5“-Maßstäben arbeitet, arbeitet man jedoch noch lange nicht weniger. Im Gegenteil.
Schließlich müssen auch noch Dinge wie Schlafplatz, Visa, Reiserouten etc. immer wieder neu angepasst werden. Selbst wenn man nicht ständig unterwegs ist.
Ich habe sowieso nur wenige Digitalen Nomaden getroffen, die wirklich jede Woche ihren Arbeitsplatz verlagern und weiterziehen.
In der Regel mag der Nomade auch das angedeutete Gefühl von Beständigkeit. Und eine zumindest einigermaßen vertraute Umgebung.
Schließlich ist die wirklich vertraute Umgebung viele tausend Kilometer weit entfernt. Kontakt mit Freunden und Familie findet oft nur digital bei Skype und WhatsApp statt.
Wer ein gewisses Grundrauschen an Veränderungen im sozialen Leben nicht mag, wird es als Digitaler Nomade wahrscheinlich schwer haben. Insofern man keinen festen (Arbeits-)Partner an seiner Seite hat, zumindest.
Nicht selten hatte ich mich in einem Coworking-Space endlich an alle gewöhnt und es hatte sich auch eine Art Alltag etabliert, da verließen die liebsten Kollegen schon wieder den Platz. Neue Freunde zu suchen, gehört ebenso dazu.
Dafür hat man im Prinzip jeden Tag die Chance, unfassbar freundliche, offene und hochgradig inspirierende Leute kennenzulernen.
Der Austausch mit diesen ist oft einmalig.
Vielleicht sind viele Begegnungen nicht sehr lang. Dafür können sie auch sehr viel intensiver sein, wenn der Zeitfaktor ständig über der Interaktion mitschwebt.
Klischees und Vorurteile des ortsunabhängigen Lifestyles
Digitaler Nomade ist kein Beruf.
Es handelt sich um eine Art zu arbeiten.
Ein Digitaler Nomade kann Programmierer, Blogger, Lektor, Trader, Sales Manager oder YouTuber sein. Die Liste lässt sich fast ewig fortführen.
Manche arbeiten in einer Festanstellung, als Freelancer oder auch als selbstständige Unternehmer.
Was sie alle neben der Selbstdisziplin vereint, ist wahrscheinlich die Neugierde auf Neues und die Abenteuerlust.
Du siehst also:
Realität und Klischee hängen zwar miteinander zusammen. Oft muss man jedoch genauer hinsehen, um wirklich einen guten Einblick zu bekommen.
Ich persönlich würde allerdings nicht mehr auf das ortsunabhängige Arbeiten verzichten wollen.
Dafür muss man schließlich auch nicht unbedingt weit in die Weltgeschichte hinaus.
Aber ich könnte jederzeit – wenn ich will.
Gemeinsam macht alles einfach viel mehr Spaß!